GOD SAVE THE BREXIT DEAL

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Märkte-Flash 29.05.2020

GOD SAVE THE BREXIT DEAL

ODDO BHF5 Minuten

Die Aktienmärkte präsentieren sich weiterhin freundlich. Doch während die Markterholung zuletzt vor allem von den US-Märkten und dort besonders von den Corona-resistenten, defensiven Titeln getragen wurde, ist in den letzten ein bis zwei Wochen ein Favoritenwechsel zu beobachten: die US-Märkte entwickeln sich eher gedämpft, der zyklische DAX dagegen weist kräftige Kursgewinne aus. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass die Bewertungen der entsprechenden Marktsegmente (z.B. „Growth“ im Vergleich mit „Value“) zwischenzeitlich recht weit auseinandergelaufen sind, d.h. „Growth“-Titel also vielfach nicht mehr günstig erscheinen. Ergänzt wird das dadurch, dass sich die Corona-Lage zunächst in Europa zu entspannen begann und Frühindikatoren wie der jüngste ifo-Geschäftsklimaindex eine Wende zum Besseren andeuten. Der neue Hotspot der Corona-Pandemie liegt in Amerika, vor allem in Südamerika. Damit einher geht nachlassende Risikoaversion, die sich beispielsweise in einer niedrigeren Volatilität ausdrückt.

Das politische Umfeld hat sich mit dem Merkel-Macron-Plan und dem jetzt vorgestellten Plan der EU-Kommission für den Wiederaufbaufonds (der 500 Mrd € an Zuschüssen sowie 250 Mrd. € an Krediten für die am schwersten von der Krise betroffenen Länder vorsieht – insgesamt sind rund 300 Mrd. € für Italien und Spanien eingeplant) tendenziell aufgehellt. Obwohl nicht unumstritten, dürfte der Wiederaufbaufonds das Risiko einer Schuldenkrise in Europa vorerst entschärfen. Für die USA dagegen ist der wieder aufflammende Konflikt mit China – jetzt gerade nochmal im Zusammenhang mit der Verabschiedung neuer „Sicherheitsgesetze“ für Hongkong – ein unwillkommener neuer Unruhefaktor.

Allerdings gibt es auch in Europa einige Themen, die angesichts der Dimension der Corona-Krise in den Hintergrund getreten sind, die man aber nicht ganz aus den Augen verlieren sollte. Denn auch auf unserer Seite des Atlantiks werden Handelsgespräche geführt. Statt eines Deal- oder No-Deal-Brexit wie im letzten Jahr geht es nun aber darum, ob Großbritannien mit oder ohne ein Freihandelsabkommen aus der EU ausscheiden wird.

Boris Johnson pokert in vertrauter Manier. Er pocht darauf, weitreichenden Zutritt zum EU-Binnenmarkt zu behalten. Da Brüssel nicht mitspielt, treten die Verhandlungen über ein Handelsabkommen auf der Stelle. Aktuell sieht es nicht so aus, als könnte ein Abkommen zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten. Doch die derzeitig geltende Übergangsregelung, die Großbritannien vorerst noch praktisch unveränderten Marktzugang einräumt, läuft zum Jahresende aus. Gleichzeitig lehnt London eine Verlängerung der Übergangsphase ab. Politisch profitieren konnte Johnson von seiner harten Haltung allerdings nicht - weniger als die Hälfte der Briten und nur noch 79 % (nach 91 % im April) der Tory-Wähler unterstützen den Premierminister laut einer Umfrage im Mai.

Die Gefahr eines No-Trade-Deal-Brexit rückt mit jedem Tag näher. Premierminister Boris Johnson muss bis zum 1. Juli entscheiden, ob die Übergangsfrist verlängert wird oder nicht. Sollte man in der Downing Street bei der Ablehnung bleiben, wird Großbritannien im Januar 2021 ohne ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union dastehen. Diese Entscheidung würde die britische Wirtschaft definitiv härter treffen als die europäische: einerseits wegen der relativen Bedeutung des jeweiligen Handelspartners für die eine bzw. die andere Seite, andererseits, weil Großbritannien mit dem Ende der Übergangsphase und aufgrund fehlender Abkommen auch im Verhältnis zu anderen Ländern auf das Meistbegünstigungsprinzip zurückfallen könnte.

Risiko einer “Double-Dip“-Rezession in Großbritannien

Aktuell scheint die Marktstimmung beider Volkswirtschaften positiver zu sein als noch vor einem Monat, das lassen die in der letzten Woche veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes vermuten. Der Gesamtindex der Eurozone liegt bei 30,5 (nach 13,6), der Gesamtindex Großbritanniens erreicht einen Wert von 28,9 (nach 13,8). Zwar sind beide Werte weit entfernt davon als Zeichen für Optimismus gewertet zu werden, dennoch sieht man angesichts der Lockerungsmaßnahmen und der Wiederaufnahme des Wirtschaftsgeschehens die Zukunft etwas weniger sorgenvoll. Sollte London aber ohne Abkommen den Binnenmarkt verlassen, dürften sich die wirtschaftlichen Aussichten der Briten wieder verdüstern – Analystenschätzungen zufolge würde dies die britische Wirtschaft in eine erneute Rezession stürzen. Immerhin macht allein der Warenverkehr mit der EU etwa die Hälfte des britischen Exporthandels aus. In diesem Fall wäre eine starke Abwertung des britischen Pfunds zu erwarten, was den Inflationsdruck erhöhen und den Konsum reduzieren könnte. Bereits ein bis zwei Quartale nach dem durch die Corona-Epidemie verursachten Einbruch könnte Großbritannien also von einem neuen wirtschaftlichen Schock getroffen werden.

Die Geldpolitik stärkt den geschwächten Markt – werden alle Tabus gebrochen?

Dass ungewöhnliche Zeiten ungewöhnliche Maßnahmen erfordern, war in den letzten Monaten global zu beobachten. Die Bank of England (BoE) schließt zumindest nicht aus, den schon jetzt historisch niedrigen Leitzins von aktuell 0,1 % weiter zu senken – und zwar in den negativen Bereich. Dies gilt unter Analysten derzeit nicht als wahrscheinlichstes Szenario, doch sollte der endgültige Abschied von der EU ohne Außenhandelsvereinbarung vollzogen werden und sich ein erneuter Wirtschaftseinbruch abzeichnen, würde die BoE vermutlich auch dieses Tabu brechen. Das nächste offizielle Meeting findet am 6. August statt. 

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