Eine Standortbestimmung an den Kapitalmärkten
Die erratischen Volten, die der amerikanische Präsident Donald Trump in seiner Außenwirtschaftspolitik schlägt, haben in den vergangenen Wochen an den internationalen Finanzmärkten heftige Turbulenzen ausgelöst. Ungewöhnlich hohe Kursschwankungen an den Märkten für Aktien, Anleihen und Währungen waren die Folge. Man mag politisch den Kopf schütteln über Trumps Zollpolitik. Allerdings bietet diese Marktlage Anlegern mit entsprechender Risikobereitschaft auch interessante Investmentchancen – vorausgesetzt sie analysieren das Geschehen nüchtern und faktenorientiert. Wir versuchen, Ordnung in dieses Chaos zu bringen:
1. Trumps chaotische Zollpolitik
Es ist schwer, den Überblick über Trumps Zollpolitik zu behalten. Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht eine weitere Neuerung ankündigt. So denkt er seit einigen Tagen öffentlich über Ausnahmeregelungen für diese oder jene Produktkategorie nach. Dabei hatte er am 2. April einen pauschalen Basiszoll von 10 Prozent auf alle Importe in die USA angekündigt und hohe Zusatzzölle für einzelne Herkunftsländer. Als die chinesische Regierung ihrerseits ihre Zölle auf US-Exporte nach China ankündigte, legte Trump noch eine Erhöhung drauf, erst auf 125 Prozent, und nachdem die chinesische Regierung dann immer noch nicht einlenkte, auf 145 Prozent. Dann jedoch setzte Trump die Zollerhöhungen für 90 Tage aus – China ausgenommen. Anleger und Unternehmen sind nun völlig verwirrt. Welche Sätze werden künftig gelten? Welche Produkte aus welchen Ländern werden künftig wie hoch bei ihrer Einfuhr in die USA besteuert? Ist dieses Moratorium der Einstieg in den Ausstieg aus dieser fatalen Zollpolitik? Vermutlich nicht. In Washington wird an Plänen für Computerchips und Pharmaprodukte gearbeitet. Trumps Außenwirtschaftspolitik gefährdet nicht nur die handelspolitische Weltordnung, wie sie rund 70 Jahre lang gegolten hat. Sie bedroht auch globale Wertschöpfungsketten und damit Unternehmen in der ganzen Welt.
Die Verwirrung ist das eine, die wirtschaftliche Unvernunft, die sich in dieser Zollpolitik spiegelt, ist das andere. Kaum weniger als über das Ausmaß der Zollerhöhungen sind die Anleger über die wirtschaftlich unsinnige Begründung für diese Politik konsterniert. Trumps Ziel, Unternehmen zu Investitionen und Produktionsverlagerungen in den USA zu bewegen, wird er mit dieser Politik kaum erreichen. Angesichts der politischen Willkür und unsichere Lieferketten dürften sich Unternehmen genau überlegen, ob sie in den USA investieren. Und Kapitalmarktanleger beginnen, ihre Anlagen in den USA zu verringern.
2. Risiko eines Abverkaufs amerikanischer Staatsanleihen
Am Markt für amerikanische Staatsanleihen ist nach unserer Überzeugung das Risiko von Verwerfungen am größten. Zunächst ging die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen im bisherigen Jahresverlauf zurück. Am 13. Januar erreichte sie ein zyklisches Hoch von knapp 4,8 Prozent und fiel bis zum 4. April auf knapp unter 4 Prozent. Unter dem Eindruck der chaotischen Zollpolitik sprang die Verzinsung zehnjähriger Staatsanleihen in den USA Anfang April innerhalb einer Woche auf 4,5 Prozent und liegt aktuell bei rund 4,4 Prozent.
Wir halten amerikanische Staatsanleihen für den kritischen Punkt, an dem die Folgen von Trumps Wirtschaftspolitik besonders sichtbar werden. Die amerikanische Staatsverschuldung lag Ende Januar 2025 bei 36,2 Billionen Dollar. Das sind etwas mehr als 120 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Davon hielten ausländische Investoren rund 8,5 Billionen Dollar und somit rund ein Viertel der amerikanischen Staatsschulden. Japan ist der größte Auslandsgläubiger mit 1,1 Billionen Dollar, gefolgt von China mit 761 Milliarden Dollar und Großbritannien (aufgrund des internationalen Finanzplatzes London) mit 740 Milliarden Dollar. Für das laufende Jahr zeichnet sich eine Erhöhung der öffentlichen Schulden auf 37,7 Billionen Dollar ab.
An den Finanzmärkten wird bereits diskutiert, wie lange die USA noch ihr Aaa-Rating bei der Ratingagentur Moody’s halten können. Standard & Poor’s und Fitch haben die Bonität amerikanischer Staatsanleihen bereits auf die zweithöchste AA+ heruntergesetzt, S&P im Jahr 2011, Fitch im Jahr 2023. Ein erstes Indiz für eine Herabstufung auch durch Moody’s ist, dass die Ratingagentur den Ausblick für US-Staatsanleihen seit November 2023 auf negativ gestellt hat. Die Zollpolitik wäre in diesem Fall der Auslöser. Ursache ist die seit Jahren steigende Staatsverschuldung. Hinzu kommen die Risiken einer Eskalation des Handelskriegs mit China, durch den die chinesischen Bestände an Treasuries zur politischen Manövriermasse werden könnten. Und schließlich gibt es Trumps Drohungen gegen Länder, die ihre Dollarreserven reduzieren wollen, und Überlegungen aus Trump-Kreisen („Mar a Lago-Accord“), Besitzer von US-Staatsanleihen in hundertjährige zinslose Schuldscheine zwingen zu wollen. Dies lässt internationale Anleger den Status des US-Dollars als vermeintlich sicherer Hafen hinterfragen. Gleichgültig, wie begründet diese Sorgen sind, dürften viele Anleger ihr Engagement zu reduzieren versuchen und höhere Risikoprämien veranschlagen. Die Gemengelage mahnt zur Vorsicht.
3. Die Ent-Dollarisierung der Weltwirtschaft
An den Devisenmärkten sorgt Trumps wilde Wirtschaftspolitik für heftige Kursbewegungen. Seit Jahresanfang hat der US-Dollar gegenüber dem Euro rund 10 US-Cent an Wert verloren und ist zu Beginn dieser Woche auf rund 1,14 Dollar je Euro gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit Februar 2022. Selbst gute Nachrichten helfen dem Dollar derzeit nicht mehr auf. Nachdem Trump sein überraschend scharfes Zollpaket angekündigt hatte, gingen die Kurse von Aktien und Dollar gleichermaßen nach unten. Nachdem Trump dann die Zollerhöhungen aussetzte, erholten sich zwar die Aktienkurse an Wall Street, doch der Dollar verlor gegenüber dem Euro weiter an Boden.
Diese Bewegung zeigt, wie tief mittlerweile das Misstrauen der internationalen Anleger gegenüber der Weltleitwährung sitzt. Regierungen, Zentralbanken und große institutionelle Anleger suchen allesamt nach Alternativen zur US-Devise. Das wird nicht einfach sein. Doch die Ent-Dollarisierung der Weltwirtschaft hat begonnen. Davon dürfte langfristig der Euro profitieren und somit auch Aktien und Anleihen, die in Euro gehandelt werden.
4. Risiko einer Rezession
Zölle wirken wie eine zusätzliche Verbrauchsteuer in dem Land, das Importzölle erhebt. Setzt Trump sein Zollpaket nach Ablauf des 90-Tage-Moratoriums tatsächlich um, läuft der US-Präsident Gefahr, den Konsum im Land zu belasten, die Inflation in die Höhe zu treiben und somit den Zinssenkungszyklus der US-Notenbank Fed vorzeitig zu beenden.
Im Jahr 2024 lag das Wirtschaftswachstum der USA real, also inflationsbereinigt, bei 2,8 Prozent, gab das US Bureau of Economic Analysis im März bekannt. Noch im Januar 2025 veranschlagte der Internationale Währungsfonds (IWF) das Wirtschaftswachstum der USA im laufenden Jahr auf 2,7 Prozent. Diese Prognose wird kaum noch zu halten sein.
Die Arbeitslosenquote in den USA lag bisher bei einem niedrigen Wert von 4 Prozent. Seitdem jedoch haben verschiedene Stimmungs- und Konjunkturindikatoren eine deutliche Abkühlung der Wirtschaft signalisiert. Die Notenbank von Atlanta erwartet in ihrer Prognose von Anfang März 2025 für das 1. Quartal 2025 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Lag die Wahrscheinlichkeit einer Rezession unter den von Bloomberg befragten Experten zu Beginn des Jahres 2025 noch bei 20 Prozent, so ist sie im Laufe des April auf 30 Prozent gestiegen. Das ist kein „Restrisiko“ mehr.
5. Laufende Berichtssaison
In diesem Umfeld beobachten wir besonders akribisch, wie die Berichte der amerikanischen Unternehmen über den Geschäftsverlauf im ersten Quartal 2025 ausfallen. Das Researchhaus Factset schätzt, dass die Unternehmensgewinne in den ersten drei Monaten um 7,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen sind.
Dies wäre somit das siebte Quartal in Folge mit einem im Index ausgewiesenen Gewinnwachstum (im Vergleich zum Vorjahr). Diese Schätzung setzt sich aus den bereits berichteten Ergebnissen und den Schätzungen für jene Unternehmen zusammen, die noch nicht berichtet haben.
Die meisten Unternehmen haben bisher die Gewinnschätzungen der Analysten übertroffen. Damit spricht vieles dafür, dass die Gewinne auch im ersten Quartal 2025 für die Unternehmen im Aktienindex S&P 500 ungeachtet der politischen Lage robust ausfallen dürften. Bei der Beurteilung der Zahlen für das erste Quartal sollte jedoch berücksichtigt werden, dass es zwar in den Beginn von Trumps Amtszeit fällt, das Zollpaket jedoch erst nach Ende des ersten Quartals angekündigt worden ist.
6. Unsere Anlagestrategie
Volatile Zeiten wie diese bieten Anlegern immer wieder die Gelegenheit, zu reduzierten Bewertungen in Aktien investieren zu können, die trotz all dieser Belastungen und Risiken aus Wirtschafts- und Währungspolitik gute Chancen bieten. Weitere Kursrückschläge werden wir für selektive Zukäufe nutzen. Dabei bleiben wir unserem Anlagestil treu und suchen nicht kurzfristige Gewinne, sondern integrieren die Zukäufe in unsere langfristige Anlagestrategie. Diese erfordert in Zeiten wie diesen jedoch eine große Disziplin – getreu Warren Buffet. Dieser meinte nämlich einmal: „Wir müssen nicht schlauer sein als die anderen, wir müssen nur disziplinierter sein als sie.“ Viele Unternehmen werden unter möglicherweise hohen Zöllen in den USA oder den Verwerfungen bei Zinsen und Devisen leiden. Andere Unternehmen werden jedoch mit einer relativen Stärke aus diesen Wirren hervorgehen. Diese gilt es zu identifizieren.
Um die erhöhte Schwankungsanfälligkeit der Märkte optimal zu nutzen, gilt es, genügend Kasse für weitere Zukäufe bei möglichen Kursrücksetzern vorzuhalten. Wir setzen in der aktuellen Marktphase unsere Anlagepolitik fort, verstärkt in europäische Aktien, Anleihen und generell in Euro-Anlagen zu investieren. Auch die Schweiz rückt verstärkt in unseren Fokus, da sich nicht nur der Schweizer Franken in Krisenzeiten als sogenannter „sicherer Hafen“ bewährt hat, sondern auch weil der Aktienmarkt interessante Weltmarktführer bietet.
Jan Viebig
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