Das Wachstum hängt von Krediten ab … und umgekehrt
Realwirtschaft und Bankensektor sind voneinander abhängig – das versteht sich von selbst. Die Verbindung ist offensichtlich, wenn alles gut läuft. Eine robuste Wirtschaft verringert das Ausfallrisiko und ermutigt die Banken zur Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte. Dies stützt wiederum den Konsum und fördert das Wirtschaftswachstum. Ab einem bestimmten Punkt ist das Kreditwachstum aber zu hoch, so dass auch unrentable Investitionen finanziert werden, die von den Banken dann abgeschrieben werden müssen. Genau das geschah während der letzten Bankenkrisen. In den vergangenen Wochen haben die Probleme mehrerer Regionalbanken in den Vereinigten Staaten und der Credit Suisse in Europa erneut für Stress im Bankensektor gesorgt. Diese Entwicklung gefährdet die Finanzierung der Wirtschaft und die Wachstumsaussichten.
Wie konnte es dazu kommen? Die derzeitigen Probleme haben ihre Ursache im geldpolitischen Kurswechsel ab Anfang 2022. Vor über einem Jahr begannen die Notenbanken, auf die hohen Inflationsraten zu reagieren, indem sie die Leitzinsen in beispiellosem Tempo anhoben mit dem Ziel, einer Überhitzung der Wirtschaft entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit dies zu erreichen ist, für restriktivere Finanzierungsbedingungen zu sorgen. Die Schwierigkeit liegt in der richtigen Dosierung der Maßnahmen und ihrer Wirkung auf die Konjunktur.
Im Kern besteht die Tätigkeit von Geschäftsbanken darin, kurzfristige, niedrig verzinste Einlagen entgegenzunehmen und dieses Kapital für die Vergabe längerfristiger, höher verzinster Kredite oder die Anlage in Wertpapieren zu verwenden. Daher ist ein Anstieg der Zinssätze für die Banken normalerweise positiv, da sich dadurch ihre Nettozinsmarge erhöht. Steigende Zinssätze können allerdings auch negative Folgen haben. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen. Und sie reduzieren den Wert von Portfolios. Darüber hinaus können sie Anleger dazu veranlassen, sich außerhalb des Bankensystems nach einer besseren Verzinsung für ihr Geld umzusehen.
Bei der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) kamen all diese Risiken gleichzeitig zum Tragen, und dies in einem extremen Ausmaß. Die Bank war innerhalb weniger Stunden insolvent, nachdem bekannt geworden war, dass die SVB ihr Zinsrisiko in keiner Weise abgesichert hatte und Einleger daraufhin in Scharen ihr Geld abzogen. Die unzureichende Kontrolle durch die zuständigen Aufsichtsbehörden scheint inzwischen erwiesen. Selbst wenn der Fall der SVB ein Extrembeispiel ist, hat er doch die Anfälligkeit der Banken im derzeitigen Zinsumfeld aufgezeigt. Das Einlagevolumen bei Banken, das während der Pandemie, als viele Haushalte geringere Ausgaben hatten, sprunghaft gestiegen war, bewegt sich seit einigen Monaten in die entgegengesetzte Richtung (Grafik). Dies kann als Normalisierung und als Rückkehr zum Status vor der Pandemie gewertet werden, aber auch als Signal für Sorgen um die Solidität besonders gefährdeter Institute.
Was bedeutet dies für Konjunktur und Geldpolitik? Eine unvermeidliche Folge ist, dass Geschäftsbanken vorsichtiger agieren. Steigende Zinssätze, zunehmende geopolitische Unsicherheiten infolge des Ukraine-Kriegs und ein gebremstes globales Wachstum – all diese Faktoren führen zu strengeren Standards bei der Kreditvergabe der Banken und belasten Privathaushalte und Unternehmen, die auf Bankkredite angewiesen sind. Genau genommen ist bereits seit einem Jahr eine Verschärfung der Kreditbedingungen zu beobachten. Dieser Trend dürfte sich noch weiter verstärken.
Am stärksten gefährdet ist die Immobilienbranche. Im Wohnsegment variiert das Risiko je nach Finanzierungsstruktur und Preisniveau. Nach zweijährigem Höhenflug befinden sich die Preise für Wohnimmobilien seit Mitte 2022 in den USA und seit Kurzem auch im Euroraum im Abwärtstrend. In einigen nordeuropäischen Ländern, in denen ein hoher Anteil an variabel verzinsten Hypotheken mit einer hohen Verschuldung der Haushalte zusammentrifft, ist die Lage schwieriger als in Kontinentaleuropa. Bei den Gewerbeimmobilien verteuern steigende Zinsen die Baukosten, sodass die Renditen sinken; dies ist z. B. bei Büroimmobilien aufgrund einer gestiegenen Leerstandsquote der Fall. In den Vereinigten Staaten werden fast drei Viertel der Kredite für Gewerbeimmobilien von Regionalbanken vergeben, obwohl auf diese nur ein Drittel der Einlagen entfallen. Das Risiko eines schrumpfenden Kreditangebots ist hier also besonders hoch.
Die jüngsten Entwicklungen stellen die Notenbanken vor ein Dilemma. Auf der einen Seite haben sie die Aufgabe, die Konjunktur und insbesondere die Preise zu stabilisieren. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen sie bei einer hohen Teuerungsrate die Leitzinsen anheben, doch damit schwächen sie gleichzeitig die Geschäftsgrundlage der Banken. Darüber hinaus kommt ihnen die Aufgabe zu, die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten.
Darf ein Ziel dem anderen geopfert werden? US-Notenbankchef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde bestritten sehr deutlich, in diesem Dilemma zu stecken. Nach ihrer Argumentation stünden den Notenbanken genügend Instrumente zur Verfügung, um beide Ziele zu erreichen. Sie betonten, dass sie im Falle eines Liquiditätsengpasses nahezu unbegrenzt Liquidität bereitstellen könnten. Nach dem Kollaps der SVB hat die US-Notenbank mit der Backstop-Fazilität (BTFP) bereits ein neues Programm genau für diesen Zweck aufgelegt. Theoretisch hält sie das nicht davon ab, die Leitzinsen weiter zu erhöhen. In der Praxis lassen sich diese verschiedenen Instrumente jedoch nicht vollständig voneinander abgrenzen. Im Falle einer allgemeinen Bankenkrise wäre eine Lockerung der Geldpolitik unumgänglich. So weit ist es glücklicherweise aber noch nicht. Man kann zumindest davon ausgehen, dass der Straffungszyklus in den USA und in Europa bald sein Ende erreichen wird.

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