Langfristig orientierte Anleger müssen die US-Wahl nicht fürchten

Blick auf die Kapitalmärkte
02.14.2024
3 Minutes

Prof. Dr. Jan Viebig Global Co-CIO ODDO BHF

 

 

Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA in diesem Jahr mag in vielen Bereichen weitreichende Konsequenzen haben. Den Impakt auf die Finanzmärkte dagegen halten wir für langfristig orientierte Investoren, wie wir uns verstehen, für begrenzt.  Langfristig wirken andere Kräfte. Anleger, die in einem Zeitraum von, sagen wir, zehn Jahren denken, können dem Ausgang der US-Wahl zumindest in Hinsicht auf ihr Vermögen relativ gelassen entgegensehen.

Der Fokus der Investoren hat sich in den vergangenen Monaten stark auf die „Magnificent Seven“ gerichtet. Die großen Tech-Aktien Meta, Amazon, Google, Microsoft und Apple sowie der Fabrikant von Elektroautos Tesla und der Halbleiterhersteller Nvidia haben im vergangenen Jahr den amerikanischen Aktienmarkt dominiert. In der Folge ist diese Gruppe von Aktien mittlerweile hoch bewertet – unserer Meinung nach sind einzelne Unternehmen der „Magnificent Seven“ sogar zu hoch bewertet. Wie Abbildung 1 zeigt, kommen die „Glorreichen Sieben“ auf ein aggregiertes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von stolzen 35,6. Die Bewertung der anderen 493 Aktien im S&P 500 dagegen bewegt sich nahe ihren langfristigen Durchschnitten, während der S&P 500 bei einem KGV von aktuell 23,8 liegt.

 

 

Wer in Aktien investiert, sollte einen langfristigen Investmenthorizont aufweisen. Vor allem kurzfristige Aktieninvestments bergen aus unserer Sicht ein hohes Risiko. Wenn Investoren sich nur für ein Jahr am amerikanischen Aktienmarkt engagieren, dann lag die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Verlust erleiden, in der Vergangenheit bei 27 Prozent, wie Abbildung 2 zeigt. Blieben Anleger fünf Jahre lang investiert, dann sank dieses Risiko auf 16 Prozent und bei einem zehnjährigen Investment auf 7 Prozent. Wer sich für mindestens 15 Jahre für amerikanische Aktien entschied, hat im unten angegebenen Zeitraum niemals einen Verlust erlitten. Diese Wahrscheinlichkeiten beziehen sich auf die Vergangenheit und können sich künftig ändern. Doch zeigen sie einen starken Zusammenhang, dass nämlich die Wahrscheinlichkeit, mit US-Aktien einen Verlust zu erleiden, mit der Anlagedauer sinkt.

Die schlechteste Ein-Jahres-Periode am amerikanischen Aktienmarkt war während der Finanzkrise die Zeit vom 28. Februar 2008 bis zum 28. Februar 2009 mit einem Kursverlust von 44,8 Prozent über diese zwölf Monate. Der beste Ein-Jahres-Zeitraum mit einem Kursgewinn von 53,7 Prozent war während der Coronakrise (Zeitraum: 31. März 2020 bis zum 31. März 2021).

Die oben genannten Zahlen sind auf nominaler Basis vor Inflation berechnet. Insbesondere über lange Zeiträume kann Inflation die Kaufkraft eines Vermögens jedoch deutlich schmälern. Es ist immer gewagt, aus sehr langfristigen Entwicklungen der Vergangenheit Rückschlüsse auf die Zukunft zu ziehen. Aber genau dies ist das übliche Verfahren von Statistikern. Im Zeitraum 1900 bis 2022 sind Aktien in den USA real nach Berücksichtigung der Inflation im Durchschnitt um 6,4% (geometrisches Mittel) bzw. 8,3% (arithmetisches Mittel) gestiegen. Die drei Forscher Dimson / Marsh / Staunton (2023) kommen zu dem Ergebnis, dass der U.S. Markt über diesen langen Zeitraum der erfolgreichste Aktienmarkt unter 21 Ländern war unter Berücksichtigung der Inflation. Zudem war das Risiko von amerikanischen Aktien über diesen langen 123-Jahre dauernden Zeitraum geringer als das Risiko deutscher und französischer Aktien: Die Standardabweichung der realen Renditen amerikanischer Aktien war mit 19,9% p.a. niedriger als die mittlere Schwankungsbreite von deutschen Aktien in Höhe von 31,1% p.a. und französischen Aktien in Höhe von 22,8%. p.a.*

Mit der Anlagedauer nimmt die Bedeutung des Timings ab: Dann spielt es eine geringere Rolle, ob man eine Aktie zu einem möglichst niedrigen Kurs gekauft und nahe am Höchstkurs verkaufen kann. Beides gelingt meistens ohnehin nicht und wenn doch, dann ist es in der Regel Glück.

Der größte Fehler ist ohnehin zu glauben, man könne eine Aktienentwicklung über drei Wochen oder drei Monate prognostizieren.

 

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