Das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM), der Todesstoß für die europäische Industrie – Besonders betroffen ist die Aluminiumindustrie
Einleitung
Im Gegensatz zum erklärten Ziel, Europa zu industrialisieren, wird das CO2- Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism) der europäischen Industrie, insbesondere der Aluminiumbranche, schaden. Es wird die Verlagerung der Produktion ins Ausland fördern, ausländische Investoren abschrecken und damit zum Verfall unserer industriellen Basis beitragen, oder diesen sogar beschleunigen.
Es ist dringend erforderlich, dass Europa zustimmt, die Einführung der CO2-Grenzabgabe (CBAM) für Aluminium zu verhindern.
Dies ist umso wichtiger, da es durchaus Alternativen für Europa gibt, die die Industrie schützen und die Dekarbonisierung der Branche weltweit unterstützen würden.
Eine existenzielle Krise für die europäische Industrie
Die europäische Industrie durchläuft eine tiefgreifende Krise, die durch einen Rückgang der industriellen Produktion in den EU-Ländern gekennzeichnet ist: Eine EU-weite Rezession von -2,3 % im Jahr 2024. Im Einzelnen waren dies -4,7 % in Deutschland, -3,7 % in Ungarn, -3,5 % in Italien und -0,3 % in Frankreich, im Vergleich zu 2023. Für die europäische Industrie ist dies bereits das dritte Jahr der Rezession in Folge nach 2022 (-3%) und 2023 (-3 %). Fabriken schließen in Deutschland, dem führenden Industrieland Europas, aber auch in Frankreich, wo die Bilanz von Fabriköffnungen und -schließungen wieder negativ ist.
Die Ursachen dieser Krise sind struktureller Natur und werden im Draghi-Bericht sehr gut erklärt: Energiekosten, administrative Komplexität und vor allem die Unvorhersehbarkeit der verschiedenen Produktionsfaktoren.
In dieser Ausganslage, bei der viele Gießereien bedroht und viele Automobilzulieferer gefährdet sind, wird diese neue Steuer in der Branche eingeführt.
Aluminium: Ein strategisches Metall für den Klimawandel
Aluminium ist in Schlüsselbereichen wie der Automobilindustrie, dem Bauwesen, der Luftfahrt und der Verpackungsindustrie von entscheidender Bedeutung. Es gehört zu den kritischen und strategischen Metallen der Europäischen Union. Aluminium wird eine zentrale Rolle in der Klimawende spielen. Das Metall hilft dabei, den Energieverbrauch zu senken, indem es Fahrzeuge leichter macht, und es ersetzt Plastik in Verpackungen. Zu guter Letzt wird Aluminium, zusammen mit Kupfer, eine wesentliche Rolle für den Netzausbau spielen, der für die Elektrifizierung notwendig ist.
Die primäre Aluminiumproduktion in Europa wurde seit mehreren Jahren durch die steigenden Stromkosten stark beeinträchtigt, was sich in einer Beschleunigung der Schließungen in den Jahren 2021 und 2022 widerspiegelt. Es verbleiben weniger als 1 Million Tonnen jährliche Kapazität in der Europäischen Union, davon 400.000 Tonnen in Frankreich. Weitere europäische Produktion ist außerhalb der EU beheimatet, in Norwegen und Island mit etwa 2 Millionen Tonnen.
Insgesamt stehen diese 3 Millionen Tonnen Kapazität einer jährlichen industriellen Nachfrage von fast 7,5 Millionen Tonnen gegenüber, was ein Defizit von mehr als 4,5 Millionen Tonnen ergibt. Europa ist daher für zwei Drittel seines Bedarfs auf Importe angewiesen.
Das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM): Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert
Das CO2-Kompensationssystem wird als ein Instrument präsentiert, das den europäischen Industrien helfen würde, indem es ein wettbewerbsfähiges Umfeld mit gleichen CO2-Emissionen schafft („level playing field“).
Aber wie sieht die Realität aus?
Bis jetzt ist die CBAM einfach nur eine neue Steuer auf Importe, die die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungskette beeinträchtigt. Für Aluminium betrifft die Regelung primäres Rohaluminium und Halbzeuge. Selbst in diesem begrenzten Bereich ist die administrative Komplexität so hoch, dass bereits jetzt Vereinfachungen für die Industrie erforderlich sind.
Wie viel wird die Steuer kosten? Niemand kann es genau sagen, da sie von einem CO2-Preis abhängt, der wiederum unvorhersehbar ist und sich nur auf Europa beschränkt, obwohl er global betrachtet werden müsste.
Folgen für die europäische Aluminiumproduktion…
Die Logik der CBAM besteht darin, den Produzenten in der EU ihre kostenlosen CO2-Emissionszertifikate in dem gleichen Maße zu entziehen, wie eine CO2-Steuer auf Importe aus dem Ausland erhoben wird. Prinzipiell könnten sich diese beiden Elemente ausgleichen, aber dies führt zu einer erheblichen Unsicherheit und könnte sogar zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führen, da die umweltfreundlichsten globalen Produktionen nach Europa gelenkt würden.
Andererseits wird eine neue wettbewerbsfähige Kapazitätserweiterung in Europa von mindestens 300 Tausend Tonnen pro Jahr – und einem Investitionsbedarf von mindestens 1,5 bis 2 Milliarden Euro – niemals durch eine Steuer ermöglicht, sondern durch eine wettbewerbsfähige Stromerzeugungsquelle, die für mindestens 20 Jahre garantiert wird. Das Scheitern der amerikanischen Zollpolitik, die trotz 10 % Zöllen seit 2018 keine Investitionen forciert hat, sollte uns eine Lehre sein.
…und für alle Aluminium verarbeitenden Industrien (Automobil, Bauwesen, Luftfahrt, Elektronik…)
Diese strategischen Branchen werden am stärksten betroffen sein.
Die CO2-Steuer bezieht sich auf Importe, die zwei Drittel des Bedarfs an primärem Aluminium in Europa an Rohmetall und Halbzeugen decken. Sie wird die Materialkosten erhöhen und die weltweite Wettbewerbsfähigkeit all dieser Industrien beeinträchtigen.
Der Preis auf dem europäischen Binnenmarkt wird sich an den Emissionen des marginalen Imports orientieren, die bei 2 Tonnen CO2 liegen könnten, was bei einem CO2-Preis von 100 EUR/Tonne etwa 200 EUR pro Tonne bedeuten würde. Dies bedeutet eine jährliche Mehrbelastung von etwa 1 Milliarde Euro für diese verarbeitenden Industrien und sogar bis zu 1,4 Milliarden Euro, sobald die Importkosten in die Kalkulation der lokalen Produktion eingepreist werden. Die Preise auf dem Binnenmarkt in Europa spiegeln nämlich die Importkosten wider, die wiederum abhängig sind von Angebot und Nachfrage. So gibt es keinen Freihandelsmarkt, sondern einen Marktaufschlag auf den globalen Aluminium-Preis der Londoner LME (London Metal Exchange), der die Kosten der CO2-Steuer des emissionsintensivsten Produzenten berücksichtigt. Diese Marktaufschläge werden dann auf die gesamte verarbeitende Industrie angewendet.
Es handelt sich also um einen massiven Treiber zur Verlagerung der Produktionsketten dieser Industrien, die ein Interesse daran haben, bis hin zu einem fortgeschritteneren Transformationsgrad als die Halbzeuge außerhalb Europas zu produzieren.
Es wird davon gesprochen, schließlich auch die Downstream-Ketten in die CBAM einzubeziehen, aber bisher gibt es keinerlei Bewegung in diese Richtung, während die Einführung der Steuer auf Rohaluminium bereits 2026 beginnen soll. Doch seien wir realistisch: Bereits die bloße Einbeziehung von Rohaluminium und Halbzeugen hat einen administrativen Albtraum für die betroffenen Industrien geschaffen. Bei Halbzeugen wird der Inhalt und die Rückverfolgbarkeit unklarer. Vor allem identifizieren die Zolltarifnummern nicht mehr die Zusammensetzung der betroffenen Produkte, so dass ein Fahrrad – egal ob aus Kohlenstoff, Aluminium oder Stahl – dieselbe Zolltarifnummer hat. Die Zollnomenklatur müsste hundertfach erweitert werden, um eine grobe Abdeckung zu erreichen. Werden wir pauschale Sätze festlegen? Wird man annehmen, dass ein Kohlenstofffahrrad im Durchschnitt 5 kg Aluminium enthält?
Zu guter Letzt darf nicht vergessen werden, dass die Verteuerung der Rohmaterialkosten für unsere Industrien neben den steigenden Energiekosten, Arbeitskosten und der Überregulierung in Europa ein zusätzliches Handicap für die europäischen Exporte darstellen wird.
Die CBAM stellt also eine existenzielle Bedrohung für die europäische Industrie dar, aber hat sie einen positiven Effekt auf die weltweiten Emissionen der Aluminiumindustrie?
Die Antwort auf diese Frage muss auf drei Feststellungen abzielen:
Erstens sind 70 % der weltweiten Aluminiumemissionen auf die Stromerzeugung zurückzuführen:
Man rechnet etwa mit 14 bis 20 Tonnen CO2 pro Tonne Aluminium für Kohlebasierte Stromgewinnung, 6 bis 10 Tonnen für Gas und 0 bis 1 Tonne für Wasserkraft und Kernenergie.
Zweitens schneidet die europäische Industrie, auf die diese Steuer angewendet werden soll, dank des europäischen Stromsystems mit Emissionen von 6 bis 7 Tonnen CO2 pro Tonne Aluminium bereits besser ab als der weltweite Durchschnitt mit 14 Tonnen CO2 pro Tonne.
Drittens wird die weltweite Aluminiumindustrie von China dominiert, wo etwa 60 % des weltweiten Aluminiums produziert und verarbeitet und etwa 70 % der weltweiten Emissionen verursacht werden. Die Produktion basiert auf 75 % fossiler Energie, wovon wiederum zwei Drittel auf Stromerzeugung aus Kohle entfallen. China verfolgt eine völlig gegensätzliche Politik zur europäischen, indem es seine primäre Aluminiumproduktion subventioniert (etwa 70 Milliarden Dollar über 20 Jahre laut OECD) und den Export von Rohaluminium oder Halbzeugen verbietet (Exportsteuer), um seinen Binnenmarkt zu fördern. Dadurch stärkt es seine Wettbewerbsfähigkeit in strategischen Sektoren wie der Automobil- und Luftfahrtindustrie, die wiederum unsere Industrien bedrohen.
Wenn man also global denkt, liegt das Umweltproblem für Europa im Aluminiumsektor nicht darin, weniger zu produzieren, indem man die Binnenproduktion mehr besteuert, sondern im Gegenteil, unsere Energiepolitik mit unserer Industriepolitik zu koordinieren, um mehr und besser zu produzieren, als wir es heute tun. Wir haben nicht die Macht, die chinesischen Kohlekraftwerke schließen zu lassen, aber wir müssen den Ehrgeiz haben, sie zu ersetzen, indem wir unsere Produktion unterstützen.