Eine neue Ära

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Blick auf die Finanzmärkte 14.03.2023

Eine neue Ära

ODDO BHF3 Minuten

Einige Einblicke aus exklusiven Interviews mit Joachim Gauck, René Obermann, Ralf Fücks und Daniela Schwarzer während der ODDO BHF Live 2023.

 

„Wir müssen lernen, dass der Frieden, von dem wir geträumt und den wir uns nach 1990 zunächst erarbeitet haben, kein Gut ist, das für immer und ohne Verluste gegeben ist, sondern dass er verschwinden kann, und deshalb werden wir einen neuen Kalten Krieg erleben. Wir werden eine neue Verteidigungsbereitschaft und eine Regierung erleben, die großen Worten Taten folgen lässt“, so Joachim Gauck, ehemaliger Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Vor einem Jahr hat Wladimir Putin den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine angeordnet. Dieser Krieg ist der größte zwischenstaatliche Konflikt seit dem Koreakrieg; er hat Europa und den Westen daran erinnert, dass auch in Europa blutige Schlachten stattfinden können, und er hat eine neue Ära für die europäische Verteidigungspolitik eingeleitet.

Ein Jahr nach seinem Beginn ist der Ausgang dieses Ermüdungskrieges noch ungewiss, doch lassen sich bereits drei Lehren daraus ziehen.

Erstens wurde die Stärke der Ukraine unterschätzt. Zu Beginn des Krieges rechneten die russischen Truppen damit, den Sieg innerhalb von einer Woche zu erringen. Dies hat sich so nicht bewahrheitet. Die Ukraine hat ihre Verteidigung durch eine umfassende Mobilisierung in kurzer Zeit verstärkt. Laut Daniela Schwarzer, Geschäftsführerin von Open Society Europe, „zeigen die russischen Übergriffe in Buka, dass es für die Ukraine eine Überlebensfrage war. Für die Ukraine geht es nicht um Krieg oder Frieden, es geht darum, einen Krieg zu gewinnen oder die Unabhängigkeit zu verlieren.“ 

Zweitens wurden die militärischen Möglichkeiten Russlands überschätzt. Der Westen schenkte der russischen Propaganda hinsichtlich der Stärke seiner Armee, der möglichen Eskalation des Konflikts und der Gefahr eines dritten Weltkriegs Glauben. Bill Browder war bis 2005 der größte ausländische Investor in Russland und ein Vorkämpfer für das Magnitsky-Gesetz. Aus seiner Sicht „sagt jeder: Russland ist die zweitgrösste Militärmacht der Welt. Die Realität ist jedoch, dass das Militär, genau wie jeder andere Aspekt der russischen Gesellschaft, von Korruption durchdrungen ist. Es hat es nicht vermocht, eine Luftüberlegenheit über die Ukraine zu erlangen, und warum? Weil es den eigenen Waffenmix ausgeschlachtet und alle Ersatzteile an die indische Luftwaffe verkauft hat. Höhere Offiziere stehlen das Geld für ihre Gehälter von den Soldaten. Die Soldaten stehlen Benzin aus den Panzern. Und so funktioniert nichts mehr. Das Ergebnis ist, dass wir Russland weit überschätzt haben.“ 

Und drittens war Europa nicht vorbereitet. Osteuropäische Länder wie Polen oder die baltischen Staaten waren sich des Imperialismus und der revisionistischen Agenda Russlands bewusst. Doch die westeuropäischen Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, leugneten ein Risiko, das sich für ihre Wirtschaft und Energieversorgung als zu negativ darstellte. Ralf Fücks, Geschäftsführer des Zentrums für Liberale Moderne, erklärt dazu: „Das ist die unbequeme Wahrheit. Weder Deutschland noch Frankreich hatten den politischen Willen noch die militärischen Kapazitäten, die Ukraine zu schützen.“ Schon vor Beginn des Krieges war klar, dass die Einbindung der USA unverzichtbar war. Die US-Geheimdienste warnten Europa, dass sich die russischen Truppen nicht nur zu Übungszwecken an der Grenze aufhielten. Der von den USA ausgeübte politische Druck ermöglichte es Europa dann, rasch Waffen zu liefern und Sanktionen zu verhängen. 

Dieser Krieg zeigt, wie wenig Europa in der Lage ist, sich zu verteidigen. Gut ist, dass sich Europa seit Kurzem der Notwendigkeit eines spezifischen Verteidigungsbudgets bewusst ist, das zwar noch niedrig ausfällt, jedoch immerhin mit 8 Milliarden Euro für die nächsten 7 Jahre ausgestattet ist. Vor allem existiert für die europäische Verteidigung mit der Industrievereinbarung zwischen Dassault und Airbus über die Zusammenarbeit beim Future Air Combat System endlich ein ehrgeiziges und konkretes Projekt. Für René Obermann, Vorstandsvorsitzender von Airbus, ist „das künftige Luftkampfsystem das wichtigste europäische Verteidigungsprogramm der nächsten Jahrzehnte. Es hat das Potenzial, in zweifacher Hinsicht die Weichen zu stellen: für eine kohärentere und integrierte europäische Verteidigungspolitik sowie eine stärkere und konsolidiertere europäische Verteidigungsindustrie.“ Der Krieg in der Ukraine markiert unbestreitbar den Beginn einer neuen Ära. 

 

 


 

 

 

 

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