Habemus Donald Trump – für weitere 1.300 Tage
„Move fast and break things“ – unter dieses Motto seiner Freunde aus der Technologiebranche scheint Donald Trump seine zweite Amtszeit gestellt zu haben. Sein Regierungsstil sorgt für hektische Berichterstattung in den Medien und große Verunsicherung bei Investoren und Verbrauchern. Doch was hat sich seit seiner Amtseinführung am 20. Januar tatsächlich verändert? Abgesehen von Übertreibungen und Dekreten gibt es einige konkrete Ergebnisse, die der US-Präsident nach den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit auf der Habenseite verbuchen kann: 18 Mrd. US-Dollar Mehreinnahmen durch Zölle (Stand: April 2025), 165 Mrd. US-Dollar Einsparungen durch das Department of Government Efficiency (geplant waren ursprünglich 1000 Mrd. US-Dollar) und rückläufige Einwanderungszahlen (300.000 Einreisen in den ersten vier Monaten von 2025 im Vergleich zu 3,1 Millionen im Gesamtjahr 2024 bzw. 4,3 Millionen in 2023). Den Preis dafür zahlen Investoren und Unternehmen. Gemessen an den damit ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten über nahezu alle Anlageklassen hinweg nehmen sich diese ersten Erfolge bei der Umsetzung von Trumps Agenda eher bescheiden aus.
Mit Trumps Amtsantritt vor 100 Tagen wurde der Rubikon überschritten
Seit Trumps Amtsantritt belasten die wechselhafte Handelspolitik und die dadurch ausgelöste Unsicherheit die US-Aktienmärkte. Besonders Technologieunter-nehmen, die stark mit China als Werkbank, Zulieferer und Absatzmarkt verflochten sind, schnitten unterdurchschnittlich ab. In Europa blieben die Verluste dagegen begrenzt. Neben China zählte der deutsche DAX zu den weltweit stärksten Aktienmarktindizes. Seit Jahresbeginn hat er fast 10 % zugelegt, beflügelt von der Erwartung höherer Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung. Die Suche nach Sicherheit in Zeiten unberechenbarer Entscheidungen hat indes Gold zur Fluchtwährung werden lassen. Mit einem Plus von fast 20 % war Gold der Gewinner der ersten 100 Tage von Trump 2.0. Indes sollten Anleger beachten, dass Rohstoffe wie Gold traditionell starken Preisschwankungen unterliegen und schwer vorhersehbar sind. In der Realwirtschaft wachsen jedoch die Sorgen über die Auswirkungen höherer Zölle: Die Stimmung der US-Verbraucher hat sich eingetrübt und Donald Trumps Umfragewerte liegen auf einem für diese Phase einer Präsidentschaft historischen Tiefstand. Auch die Fed steht angesichts der drohenden Stagflation vor einem Dilemma: Lockert sie die Geldpolitik, um die Wirtschaft zu stützen, steigt das Inflationsrisiko. Lässt sie die Zinsen unverändert, erschwert dies die Bekämpfung des wachsenden Rezessionsrisikos. Noch hat die Fed die Hoffnung auf eine sanfte Landung nicht aufgegeben, doch die Risiken einer abwartenden Haltung nehmen zu.
Trump ex-machina am „Liberation Day“!
Wenn die Fed als Helfer ausfällt, was könnte Konjunktur und Märkte dann stützen? Die im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen – Trump hatte eine Senkung des Unternehmenssteuersatzes auf 15% für in
den USA produzierende Unternehmen in Aussicht gestellt – und umfangreichen Deregulierungspläne (dieInnovationen fördern und enormes Wachstumspotenzial freisetzen können), werden durch den Zoll-Zickzackkurs überlagert. Zwar wurden die Verluste seit dem „Liberation Day“ am 2. April weitgehend wieder wettgemacht, doch die Aussichten für US-Aktien bleiben unsicher. Ein Ausverkauf ist jedoch ausgeblieben. Ein wichtiger Grund dafür ist Trumps Reaktion auf die durch seine Rhetorik und Dekrete ausgelösten Marktturbulenzen. Im Zollkonflikt etwa hielt er die Hoffnung auf Deeskalation und eine Einigung wach. Und auch wenn er sich unsachliche Kritik an Fed-Chef Powell nicht nehmen lässt, bestritt er, ihn entlassen zu wollen. Es scheint also einen „Trump-Put“ zu geben, der darauf abzielt, den Ruf von US-Vermögenswerten als „sicherer Hafen“ wiederherzustellen – ein Ruf, der sowohl in Bezug auf Staatsanleihen als auch auf Aktien (vorübergehend?) infrage gestellt wurde. Makroökonomisch gibt es ebenfalls Lichtblicke: Die harten Daten zeigen sich in Europa wie auch in den USA recht robust, die Wirtschaft bleibt stabil, und ein Abrutschen der USA in eine Rezession ist dank des niedrigeren Ölpreises und des geringeren Risikos von Zinserhöhungen nicht ausgemacht. Auch die Unternehmen halten sich gut. Nur wenige meldeten im ersten Quartal Gewinnwarnungen, das Führungspersonal gibt sich nicht allzu pessimistisch, und die Gewinnprognosen wurden in Erwartung eines langsameren Wirtschaftswachstums angepasst. Der Markt für Hochzinsanleihen hat den Zollschock jedoch noch nicht vollständig verdaut: die Renditeaufschläge für Investment-Grade haben sich kaum verringert und die für High-Yield-Anleihen nur in begrenztem Umfang.
Noch ist die USA nicht untergegangen
Neben den kurzfristigen Herausforderungen für die Finanzmärkte gibt es auch langfristige Risiken. Immer mehr Beobachter fragen sich, ob Trumps unilateraler Protektionismus die Ausnahmestellung der USA in der Welt gefährdet. Das Fundament dafür bilden vier Faktoren: der unangefochtene Status des US-Dollars als globale Reservewährung; das weltweite Vertrauen in US-Staatsanleihen als sicherer Hafen; das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA, das es dem Rest der Welt ermöglicht, US-Dollar zu verdienen und US-Vermögenswerte zu kaufen; sowie die Sicherung globaler Stabilität durch militärische Stärke. Trumps Politik untergräbt dieses Fundament an einigen Stellen. Seine Zollpolitik schadet (unter anderem) US-Technologierunternehmen, während China im Rennen um künstliche Intelligenz aufholt. Sein Isolationismus stellt die globale Sicherheitsarchitektur infrage und zwingt Länder wie Deutschland zu schuldenfinanzierten Ausgabenprogrammen. So entstehen für Investoren allmählich Alternativen zu den USA, die sich von MAGA („Make America Great Again“) abwenden und stattdessen auf MEGA („Make Europe Great Again”) setzen könnten. Gleichwohl bleiben die USA in Schlüsselbereichen weiterhin führend. Kurzfristig wird der US-Dollar seine Rolle als Reservewährung behalten, da es Alternativen wie dem Euro und dem Renminbi an den notwendigen institutionellen Strukturen fehlt und Kryptowährungen zu volatil sind, um als Währungsersatz dienen zu können. Die USA sind zudem die einzige Volkswirtschaft, die über die nötige Größe und Tiefe verfügt, um globale Ersparnisse aufzunehmen. Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung von Aktien der Eurozone liegt bei 5 Billionen Euro, die von US-Aktien bei 50 Billionen US-Dollar. Der Anleihemarkt der Eurozone (Staats- und Unternehmensanleihen) kommt auf ein Volumen von 22 Billionen Euro, der entsprechende US-Markt auf 62 Billionen US-Dollar. Der Streubesitz bei deutschen Staatsanleihen beträgt 2 Billionen Euro, während das handelbare Volumen von US-Staatsanleihen bei 27 Billionen US-Dollar liegt. Auch bei der Produktivität hat die US-Wirtschaft die Nase vorn. Sollte KI die Produktivität weiter steigern, könnte dieser Vorsprung sogar noch ausgebaut werden. Ob die ersten 100 Tage von „Trump 2.0” einen Wendepunkt in der Weltgeschichte markieren oder nur eine Fußnote bleiben, muss sich noch zeigen.
Schwarzer oder weißer Rauch?
Ob wir in den noch ausstehenden 1.300 Tagen bis zur nächsten Präsidentschaftswahl mehr weißen als schwarzen Rauch sehen werden, lässt sich schwer vorhersagen. Anstatt Spekulationen anzustellen, sollten wir einen Blick in die nahe Zukunft werfen, um Hinweise auf eine Positionierung zu finden, mit der die positiven Trends verstärkt werden können.
Grauer Rauch für Aktien: Die aktuelle Gewinnberichtssaison fällt zwar etwas besser aus als erwartet – das Gewinnwachstum lag im ersten Quartal von 2025 in Europa bei 3 % im Jahresvergleich, in den USA bei 11 %. Doch die Kombination aus unsicherem makroökonomischen Umfeld, einer raschen Erholung an den Aktienmärkten (die Leitindizes notieren wieder über dem Niveau vom 2. April) und hohen Bewertungen (KGV von über 21 in den USA und von 14 in Europa) spricht für Vorsicht beim Aktienengagement. Deshalb halten wir eine taktische Short-Position in Aktien und eine leichte Präferenz für Nicht-US-Aktien für ratsam, insbesondere Titel ausgewählter Schwellenländer und aus Europa. Allerdings belastet der Euro/USD-Wechselkurs die bereits von Zöllen betroffenen Exporteure zusätzlich. Wir bevorzugen europäische dividendenstarke Unternehmen mit Fokus auf den Binnenmarkt und sehen bei Banken in der Eurozone weiterhin beträchtliches Potenzial. Zudem setzen wir weiterhin auf Themen mit langfristigem Wachstumspotenzial wie künstliche Intelligenz und europäische Verteidigung.
Grauer Rauch für Duration: Wir gehen zu einer leicht untergewichteten Einschätzung hinsichtlich der Duration über, insbesondere im Bereich der US- Staatsanleihen. Angesichts der langfristigen inflationstreibenden Wirkung der US-Zölle könnten sich die Markterwartungen an Zinssenkungen durch die Fed als zu optimistisch erweisen. In Kerneuropa bleiben wir mit Blick auf die weiter rückläufige Inflation und die unterstützende Geldpolitik der EZB hingegen bei einer leicht übergewichteten Durationsposition.
Schwarzer Rauch für High-Yield: Hinsichtlich des Kreditrisikos bleiben wir vorsichtig. Die weiterhin vergleichsweise niedrigen Spreads bieten vor allem bei langlaufenden Hochzinsanleihen keine ausreichende Kompensation für die gestiegene Unsicherheit, die Marktvolatilität und das Rezessionsrisiko. Kurzlaufende Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sollten dagegen weiterhin von attraktiven Renditen und ihrem vergleichsweise geringen Drawdown-Potenzial profitieren bei entsprechendem Emittentenausfallrisiko.
Weißer Rauch für Euro, Öl und Gold: Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass der Euro gegenüber dem US-Dollar aufwerten dürfte. Daher halten wir an unserer Long-Einschätzung zum Euro fest, ergänzen diese aber zur Diversifikation mit Engagements in Schwellenländerwährungen. Auch unsere Sicht auf Öl und Gold behalten wir bei.
Bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen sind es noch 1.300 Tage. Nach 100 Tagen kann man sagen, dass es mehr Wendungen und Überraschungen gab als erwartet. Die Zurückhaltung gegenüber risikoreicheren Anlagewerten dürfte jedoch nicht von Dauer sein. Zwar ist das Glück an den Finanzmärkten oft mit den Wagemutigen, doch in der nahen Zukunft scheint das Motto „Carpe diem“ angemessener: Es gilt geduldig darauf zu warten, bis der aufsteigende Rauch vollkommen weiß ist.
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